Trecker auf der Straße, Unmut im Kopf

Die Landwirt*innen gehen (bzw. fahren) heute wieder auf die Straßen. Ihren Frust kann ich nachvollziehen. Ich finde auch, dass die Arbeit der Landwirt*innen zu wenig wertgeschätzt und vor allem zu wenig bezahlt wird.

Wer hat sich im Supermarkt nicht auch schon mal bei der Frage ertappt, wie ein*e Landwirt*in von diesem Preis eigentlich leben soll? Und dabei meine ich nicht beim Kauf der Discount Milch, sondern die regionale oder Bio-Milch in der Glasflasche, die gerade mal eben den Preis für eine Kugel Eis übersteigt.

Dazu kommt das Unverständnis über landwirtschaftliche Maschinen auf und durch diese verschmutzte Straßen. Da denke ich auch drüber nach, ob diese Menschen verstanden habe, dass Landwirtschaft aus dem Home-Office nur bei HayDay oder dem Landwirtschaftssimulator klappt. Und dieser Trend ist nicht nur in urbanen Teilen unserer Gesellschaft zu beobachten.

Obwohl ich diesbezüglich voll hinter den Forderungen der Protestbewegung stehe, habe ich immer wieder ein großes Unbehagen, wenn ich an das Thema Landwirtschaft und Bäuer*innenproteste denke.

Ich komme vom Land, ich erlebe jeden Tag die Landwirtschaft in meiner Nachbarschaft. Meine Familie kommt ursprünglich von einem Bauernhof. Mein erster Verein bei dem ich Mitglied und aktiv im Vorstand war und zumindest bezüglich der Mitgliedschaft noch bin, ist die Landjugend. Der Bezug zu den Menschen aus der Landwirtschaft und ihrer Arbeit ist also omnipräsent.

Und dennoch hat mich dieses Thema nie tiefer, als die Kenntnisvermittlung der „Was ist Was“-Bücher interessiert. Was wann geerntet, ausgesät oder bearbeitet wird oder ob es jetzt ein gutes, bzw. schlechtes Jahr war/ist kann und konnte ich nie beantworten. Ich hatte einfach Spaß als Kind oder Teenager Ferien auf dem Bauernhof zu machen, beim Teil meiner Familie zu sein, den ich leider viel zu selten sehe und mit den Tieren spielen und ein bisschen mithelfen zu können.

Vor knapp drei Jahren bin ich den Grünen beigetreten und von da an änderte sich die Haltung der Landwirt*innen mir gegenüber. Von „der hat keine Ahnung und kein Interesse an der Landwirtschaft“ zu „der will uns noch mehr Auflagen bringen und mir erzählen, wie ich was zu machen habe“.

Dieser Wandel war komisch für mich, denn meine Einstellung gegenüber der Landwirtschaft hatte sich ja in keinster Weise geändert. Die Ziele der Grünen, eine bäuerliche Landwirtschaft zu schaffen, bei denen es den Tieren gut geht, die Umwelt nicht überansprucht wird und die Menschen, die tagtäglich für unsere Lebensmittel arbeiten auch mehr als angemessen bezahlt werden, fand ich schon vor meiner Unterschrift auf dem Mitgliedsantrag der Grünen gut.

Auch mein Wissen hatte sich ja nicht schlagartig geändert. Ich war den Grünen nicht wegen ihrer Landwirtschaftspolitik, sonder wegen ihrem Einsatz für Europa, dem Einsatz für Minderheiten und der klaren Kante gegen rechts beigetreten.
Jetzt auf mal Projektionsfläche für so viele Menschen zu sein, mit detaillierten Beschwerden über Verordnungen und andere bürokratische Akte konfrontiert zu werden und für die Fehler und Forderungen aller Mitglieder der Partei und ihrer schon längeren Geschichte, sowie aller Verbänden, die auch nur Ansatzweise Umwelt-, Klima- oder Tierschutz auf ihrer Agenda haben verantwortlich gemacht zu werden, führte bei mir dazu, dass ich gar keine Lust mehr hatte über das Thema, Probleme und Ziele in den Dialog zu kommen.

Dabei brauchen wir genau diesen. In Zeiten, wo die Landwirt*innen, wie jeder andere Bereich, ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten müssen und dadurch sich natürlich viel verändern wird. Nur sind diese Veränderungen notwendig und im Ziel indiskutabel. Denn die Schäden, die gerade in der Landwirtschaft durch die vom Klimawandel veränderten Rahmenbedingungen entstehen können und nach aktuellen Prognosen entstehen werden, sind deutlich dramatischer, teurer und anstrengender zu beheben, als sich jetzt dem Problem offen und progressiv zu stellen.

Als Einstieg in einen Dialog, egal ob es als Privatperson auf der Straße oder länger geplant als Partei, bzw. Regierung an runden Tischen passiert, wäre es schön, wenn nicht direkt die Vorurteile von beiden Seiten ausgekippt werden. Eine Offenheit für die Themen und Ideen der jeweils anderen Seite ist gerade in Zeiten des Generationswechsels, wie in der aktuellen Zeit möglich und sollte dringend geführt werden.

Dass wir uns im Ziel gar nicht so weit voneinander unterscheiden, fiel mir in den wenigen Diskussionen, bzw. im Zuhören der jungen Landwirt*innen auf Feten oder in anderen Rahmen schon häufiger auf. Umso weniger Verständnis habe ich für diejenigen, die direkt ins Bashing oder in die Beleidigung von Personen, von Verbänden oder einer Partei einsteigen.

Wenig Verständnis habe ich auch für die Öffentlichkeitsarbeit des Bauernverbandes, dessen Facebookseite bei uns in Schleswig-Holstein zu einer Plattform für und von wütenden Boomern und dauergenervten, wie aggressiven Wutbürger*innen geworden ist. Der Ton der Diskussionen wird schon durch die polemische, populistische und teils sehr aggressive Aufmachungen der Posts vorgegeben. Die Kommentarspalten sind von denen der Braunalternativen in keinster Weise mehr zu unterscheiden.

Die Bewegung und der Bauernverband sollten klarer und ehrlicher als jetzt, diejenigen ansprechen und gegebenenfalls ausschließen, die sich auf immer demokratieferneren Pfaden befinden. Der Zweck heiligt auf keinen Fall die Mittel.

Warum die grüne Bewegung als Feindbild herhalten muss und der Bauernverband, wie die diesem sehr nahe stehende CDU/CSU weiterhin unterstützt wird, gibt mir als mehr oder minder unbeteiligter einige Rätsel auf. Landwirtschaftspolitik wird hauptsächlich in der EU und auf Bundesebene gemacht. Dort haben in den letzten 4 Dekaden über 30 Jahre lang die Konservativen die Mehrheiten innegehabt, sprich die Gesetzte geschrieben und auf den Weg gebracht.

Trauriges, aber bezeichnendes Symbol dafür, ist der Nestle-Skandal von Frau Klöckner im vergangenen Jahr. Ein Konzern, der den Preisdruck auf die hiesigen Bäuer*innen mit anfacht und anderswo noch zu viel perverseren Mitteln greift, vereinnahmt öffentlich sichtbar die im Bund zuständige Person. Und dennoch ist sie die Ministerin, die auf der ersten großen Kundgebung in Berlin lange reden darf, wo hingegen Frau Schulze als Umweltministerin keine 5 Minuten reden kann, weil sie von der Masse ausgepfiffen und ihr überhaupt nicht die Möglichkeit gegeben zum erklären gegebn wird.

Es bleibt die Erkenntnis, dass hier noch viele, sehr dicke Bretter zu bohren sind. Dabei wäre mein Appell an uns alle: Gehen wir aufeinander zu. Wenn wir Fragen haben, sollten wir diese auch stellen und nicht aus alten Mustern uns unseren Teil denken. Es hilft keiner Seite, wenn der Status quo durch einen tiefer werdenden Graben verschlimmert wird. Wir müssen jetzt Gesprächsbrücken aufbauen und uns gemeinsam ambitionierte Ziele und Wege dahin setzen, damit wir sowohl etwas für den Klimaschutz, wie auch für die Bäuer*innen erreichen. Wir stehen auf einer Seite, wir müssen das nur noch merken.

Ehrenamt stärken = ländlichen Raum stärken

Der kleine Einkaufsladen oder Bäcker ist nicht mehr in der Nähe, sondern nur noch mit dem Auto zu erreichen. Gut, da ist man ja pragmatisch: Ist für die Betreibenden nicht rentabel, warum sollen sie also noch bleiben. Schuhe, Klamotten, Schmuck, Schreibwaren, Möbel oder Hobbyausrüstung bekommt man nicht mehr in der nächsten Kleinstadt, sonder in mindestens 50 Kilometer entfernten größeren Städten (und selbst da wird es weniger). Auch da ist man pragmatisch: Ist die Konkurrenz durch das Internet, ist halt so. Aber auch die Bestellungen werden schwieriger, wenn die Post nicht mehr jeden Tag in das Dorf kommt. Einiges davon ist bei uns in Schleswig-Holstein zum Glück noch nicht Realität, aber der Trend zeigt eine eindeutige Tendenz.

Stärkung des ländlichen Raums? Voll wichtig! Aber es müssen hier keine hochkomplexen Strategien und Masterpläne entwickelt werden. Einfach mal damit anfangen, alles ein wenig unkomplizierter zu machen. Vereine, Jugendarbeitsprojekte, Bürgerinitiativen, Feuerwehren, Schützengilden, Gemeinderäten und viele, die sich in Dörfern und kleinen Städten engagieren und den so viel betitelten „Kit“ der Gesellschaft bilden, müssen um jeden Cent kämpfen. Meistens mit ewig vielen Formularen und Anträgen und doch können sie sich nur durch Spenden und unermüdlichen ehrenamtlichen Einsatz erhalten. 

Und als wäre das nicht schon genug, werden Gemeindezentren, Sportplätze, Feuerwehrhäuser, Amtsbusse, Schulgebäude nicht mehr saniert, beziehungsweise geschlossen oder abgeschafft. Fangt an die knapp 15 Mio. Ehrenamtlichen zu entlasten, denn ohne Vereine stirbt langsam und schleichend der Zusammenhalt auf dem Land. Und ohne diesen ist der ländliche Raum schlagartig nur noch landschaftlich eine Idylle. 

Sl-Flger & Stolz drauf!

Schleswig-Flensburg. Ein Kreis im hohen Norden. Schöne Landschaf… Ach ne Mais. Nette Ostsee-Küsten, wunderschööö… Ach ne Quallen. Nun ja wir sind der nördlichste Kreis Deutschlands … nach Nordfriesland. Mist. Also irgendwie ist das gar nicht so einfach in Schleswig-Flensburg etwas zu finden, auf das man Stolz sein könnte, auf das andere neidisch wären. Zumindest nicht für Außenstehende.

Und doch, auch wir können etwas bieten! Etwas was vielerorts vermisst wird: intaktes Leben auf dem Land. [Gedanke von mir selbst: „Wird das jetzt noch so eine schnöde Hommage an den Norden, an meine Heimat?!“] Damit meine ich gar nicht das bei uns alles glatt läuft. Auch das ist nur eine Illusion. Allerdings ist hier etwas am Leben erhalten worden, was anderorts nun fehlt: Das Ehrenamt.

In unseren Gefilden ist der Einstieg so leicht wie nirgends anders. Wer im Zeltlager war, fährt wieder ins Zeltlager. Er wechselt eben nur die Seiten (vom LaKi [Lagerkind] zum Betreuer). Warum ausgerechnet immer Zeltlager? Mit Weseby und Rantum, die vom Kreissportverband organisiert werden, sowie der Jugendfreizeitstätte (Zeltlager) Neukirchen, welches vom Kreisjugendring betrieben wird haben wir im Kreis knapp 150 Tage Zeltlager zu bieten und das an Orten wo viele Menschen sehr viel Geld für einen erholsamen Urlaub zahlen. Somit sind die Zeltlager ein Garant für heranwachsende Ehrenamtler. Und das zahlenkräftig, denn alleine in Neukirchen verbringen jährlich über 400 Kinder und Jugendliche ihre Ferien unter der Planung von jungen Erwachsenen, die sich in ihrer Freizeit Spiele und Aktionen für ihre Mitmenschen ausgedacht haben. 

Auch andere Verbände in unserem Kreis sind Spitze. Beispiel Kreislandjugend: Zur Erklärung, die Landjugend gliedert sich über einen Bundesverband in Landes- und Kreisverbände. Der in Schleswig-Flensburg hat neun aktive Ortsgruppen, die das Herz dieser Institution bilden. Der Kreisverband veranstaltet jährlich vier sogenannte Kreisausschusssitzungen [ein Wort mit 6 s, Wahnssssssinn!], kurz KAS. Landesweit hat der Verband mit dem KfZ-Kennzeichen SL die meisten Besucher insgesamt und mit 144 Teilnehmern beim traditionellen Spanferkelessen (KAS I) die meisten Besucher bei einer einzelnen KAS. Rekord und „Tabellenführer“!

Und auch die zahlreich vertretenen Sportvereine sind sehr gut in dem, was sie tun. Zwar bringt man den Kreis zwischen Schlei und Flensburger Förde nicht mit Spitzensport in Verbindung [und wird man in Zukunft wahrscheinlich auch nicht bringen]. Und ja, die Vereine haben mit sinkenden Mitgliederzahlen zu kämpfen, aber was in diesen Vereinen für die Kinder und Jugendlichen geleistet wird verdient mehr als Anerkennung. So haben mehrere Vereine ihre eigenen kleinen Zelt- und Hallenlager. Nachmittagsaktionen wie Basteln & Co, sowie Weihnachtsfeiern und auch Betreuungsangebote deckt so manch ein Sportverein ab.

Und da gibt es noch so viel mehr: Kirche, Jugendfeuerwehr, Ortskulturringe und und und … Somit kann Ich zurecht behaupten: SchLeswig-FLensburger und Stolz drauf!