Wird unsere Welt nach Corona wirklich eine bessere sein?

Viele meinen gerade, dass es, nachdem die Maßnahmen zur Verlangsamung von Corona beendet werden, ja, wenn wir irgendein Mittel gegen dieses Virus gefunden haben, dass es dann eine kulturelle und soziale Explosion geben wird. Sprich, die Menschen, die solange auf kulturelle Veranstaltungen und soziale Kontakte verzichten mussten, diese zu einem nie gekannten Hoch treiben werden.

Doch wer sagt, dass wir als Teil einer durchkapitalisierten Welt danach wirklich kulturell und sozial explodieren? Leidet nicht gerade „unsere“ Wirtschaft im Vergleich stärker, als die Kultur und unser soziales Engagement, bzw. Bedürfnis? Werden wir nach dieser Zeit nicht eher unsere Bedürfnisse materieller Art stillen wollen? So ganz als muster- und vorbildhaftes Zahnrad im großen, weltumspannenden Wirtschaftssystem?

Nicht, dass ich den Glauben an die Menschheit komplett verloren hätte. Nur machen mich die Erfahrungen der letzten Jahre misstrauisch. Bei der Klimakrise liegen die Fakten schon seit einem halben Jahrhundert auf dem Tisch. Die Wissenschaflter*innen, die gerade wie Popstars gefeiert werden, wurden mit einer kühlen und schlechten Kosten-Nutzen-Analyse abgewiesen. Da müsse man wirklich mal was machen, schlimm. Ja und das träfe ja vor allem die jungen Menschen, ach ne, wie gemein.

Bei der aktuellen Pandemie lag direkt auf dem Tisch, dass der Virus alle treffen werde/könnte. Nur sind hier die schlimmen Auswirkungen eher bei den älteren Menschen zu finden. Sprich selbe Voraussetzung, umgekehrtes Gefahrenpotential. Hier werden die empfohlenen Maßnahmen der Wissenschaft ohne große Murren umgesetzt.

Alte Menschen machen Politik für alte Menschen.

Mal kurz etwas anderes: „Ja, will der jetzt so ein Generationending daraus machen?“ Nö. Dennoch sollte man sich die These mal genauer anschauen: Die jungen Teile der Gesellschaft sind derzeit so gut, wie nicht im Bundestag vertreten. Entweder, weil sie es per Gesetz nicht dürfen oder weil die Strukturen dies so schwer machen, dass aktuell nur 1,9 % der Abgeordneten beim Einzug 30 Jahre oder jünger waren. Ihr Anteil in der Bevölkerung sind hingegen 29 %. Um hier korrekt zu bleiben: Auch die Menschen im Alter 60+ (#Risikogruppe) sind im Bundestag unterrepräsentiert. Mit 16,3 % der Abgeordneten zu 29% in der Gesellschaft allerdings nicht so krass, wie die unter 30-Jährigen.

Die These ist selbst in der Ausführung ja nicht grundsätzlich falsch. Abgeordnete sollen gerne Politik für die Menschengruppen machen, denen sie selber angehören. Nur erheben Parlamente in unseren liberalen demokratischen Gesellschaft den Anspruch, ihre Bevölkerung abzubilden. Demnach leben wir in einem Land von männlichen, „biodeutschen“ Juristen, im Alter zwischen 40 und 60 Jahren. Das dies nicht der Wahrheit entspricht, muss nun wirklich niemand erklären.

So haben wir ein Parlament und eine Regierung, die an den Bedürfnissen von großen Teilen der Gesellschaft „vorbeiregiert“ (um es bei halbwegs positiven Unterstellungen zu belassen). Auch wenn diese Theorie natürlich nie in kompletter Reinheit angewendet werden kann, da Menschen durchaus dazu fähig und gewillt sind Andere mitzudenken, wird es eher die Ausnahme, statt der Regel sein, dass Entscheidungen gegen das eigene „Klientel“ getroffen werden.

Reicht für eine folgende Explosion „physical Distancing“?

Nach diesem kurzen Exkurs, zurück zum Thema dieses Beitrags. Natürlich, werden wir nach der zwangsverordneten Pause alle unsere Freunde treffen wollen, werden auf Konzerte stürmen, Feten feiern, ins Museum gehen und noch so viel mehr. Aber werden wir dann auch gemeinsam etwas auf die Beine stellen? Also mehr, als vor der Corona-Zeit, so wie es die oben genannte Aussage impliziert?

Zum Beispiel ein Nachbarschaftsfest, bei dem auch die Nachbar*innen einladen, die man vor der Zeit nicht so kannte oder mochte?

Werden wir nach diesem kurzen Sabbatical erkannt haben, dass man im medizinischen Bereich keine neoliberalen Experimente durchführen sollte? Krankenhäuser und Ärtzt*innen sollten nicht nach wirtschaftlichen Interessen handeln müssen, sondern sich ausschließlich um die Gesundheit der jeweiligen Patientinnen kümmern.

Werden wir erkannt haben, dass Pfleger*innen ein wirklich, wirklich systemrelevanter Teil unserer Welt sind? Gleiches gilt für Erzieher*innen, Lehrer*innen, Reinigungskräfte und noch so viele andere Berufe, die gerade unseren Laden am Laufen halten.

Sollten sie die Krise überstehen, werden wir dann merken, dass die kleine Buchhandlung, der Friseursalon auf dem Dorf, der schöne Blumenladen, der leckere Gasthof oder das urige Spielzeuggeschäft tatsächlich fehlen? Diese Geschäfte ernähren schließlich auch Familien vor Ort und verbessern mit ihrem Umsatz nicht die Rendite von Aktionär*innen.

„Aber auch Familienmütter besitzen Aktien.“ Jap, und gehören damit schon zu dem vermögenderen Teil unserer Gesellschaft. Wer kann es sich denn bitte von den niedrigen Löhnen leisten, in erfolgversprechende und solide Aktien zu investieren?

Wenn selbst Unternehmen, wie Adidas und die Lufthansa (vermutlich) Kredite vom Staat brauchen, um die Krise überstehen zu können, dann frage ich mich, was sie mit den Gewinnen dieser verdammt langen wirtschaftlichen Boomphase gemacht haben und warum es nicht mehr en vogue ist Rücklagen für genau solche Krisen zu bilden.

Aber vielleicht habe ich als einfach ausgebildeter Kaufmann auch nicht den Weitblick für so große Unternehmen. Mal sehen, was mein BWL-Studium daran ändern wird. Auf jeden Fall ist es doch symptomatisch für ein gescheitertes Wirtschaftssystem, das „wachse oder weiche“ nicht nachhaltig sein kann. Weder wirtschaftlich, noch ökologisch.

Es bleibt auf jeden Fall eine spannende Zeit

Ich bin sehr pessimistisch, ob wir nach dieser Corona-Krise eine positive Explosion unserer Gesellschaft erleben werden, lasse mich aber gerne von dem Gegenteil überzeugen. Eins steht auf jeden Fall heute schon fest: Die Welt wie wir sie kannten, wird es nach Corona nicht mehr geben.

Denn es werden Unternehmen schließen müssen. Einige werden ihre Jobs verlieren. Manche werden ein Jahr an ihre Schullaufbahn, Ausbildung oder ihr Studium anhängen müssen. Es wird Trennungen/Scheidungen geben. Im schlimmsten Fall werden wir sogar von geliebten Menschen Abschied nehmen müssen.

Um gerade das letztgenannte Ereignis so gering wie möglich zu halten, ist es so wichtig, dass wir weiterhin auf die Empfehlungen der Wissenschaftler*innen hören.

Sollte es diese positiven Entwicklungen in unserer Gesellschaft wirklich geben, dann möchte ich mich jetzt schon für ein häufigeres Sabbatical für uns alle aussprechen. Jetzt nicht mit diesen krassen Einschränkungen und Auswirkungen, die wir gerade erleben. Aber, wenn wir etwas Positives aus dieser Zeit ziehen können, dann, dass es gar nicht mal so schlecht ist, zwischendurch eine Pause zu haben.

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