Mehr Europa – weniger Probleme

Wir leben in goldenen Zeiten. Unser Wohlstand wächst, unsere Sicherheit steigt entgegen der aktuellen Stimmung auch. Wer allerdings den gemeinen Deutschen fragt bekommt zu hören, dass es ihm persönlich gut gehe, er aber das Gefühl habe, dass es mit Deutschland/Europa/der Welt bergab ginge. Dieses Paradoxon wird von Rechtspopulisten gerne ausgenutzt und mit weiteren irrationalen Ängsten gefüttert. Filterblasen und die „Immer dagegen Haltung“ vieler verstärkt das Anti-Establishment-Lager. 

Dabei bekommen genau diese Personen durch Trump und Brexit vor Augen geführt, was ihre Haltung bewirkt und wo es uns hinbringen kann. Man freut sich aufgrund der inzwischen geringen Erwartungshaltung, wenn der POTUS auf Auslandsreisen weiß in welchem Land er sich befindet und bei Reden vor den Staatsmännern nicht die komplette Herkunft und Religion jener beschimpft. Er ist halt kein Politiker der Elite, er pfeift auf political correctnes und ihn interessieren diplomatische Gepflogenheiten nicht. Unter anderem diese Attribute haben ihn zum Wahlsieg verholfen. Doch will man so sein Land repräsentiert wissen? Will man Milliarden verlieren, nur weil ein Mann im geistigen Alter eines Kindergartenkindes meint, dass seine Sandburg die Schönste ist? Ich habe die Hoffnung, dass auch diese Leute erkannt haben: Lieber ein scheinbar unnahbarer Politiker, als ein Reality-Star, der permanent eigene Interessen über die Interessen des Landes stellt. Die Umfragewerte von Donald Trump lassen diese Hoffnung zumindest nicht im Keim ersticken. 

Bei uns führt diese unsichere Außenwelt zu steigenden Muttigefühlen. Das liegt auch an dem offensiveren und aktiveren Kurs, den Merkel neuerdings fährt. „Wir Europäer müssen unser Schicksal in unsere eigene Hand nehmen.“ Ein Satz, der so nicht unbedingt von unserer Kanzlerin zu erwarten war. Dennoch werde ich das Gefühl nicht los, dass es sich bei dieser starken Forderung lediglich um den Startschuss des Wahlkampfs der Unionsparteien handelt. Wer diese Forderung nach dem Wahlkampf umgesetzt sehen will, muss für eine grüne Regierungsbeteiligung unter einem Kanzler Schulz kämpfen. Denn in dieser Forderung steckt nicht nur Sprengkraft für das angeschlagene transatlantische Bündnis. Vielmehr handelt es sich um den nächsten logischen Schritt der europäischen Integration. 

Gewiss sollten wir nicht die Nachfolge der als Weltpolizei gescheiterten USA einnehmen. Aber EIN gemeinsamer EU-Außenminister (der diesen Namen auch verdient), sowie eine gemeinsame europäische Verteidigungsarbeit und die damit einhergehende stärkere Verantwortung auf dem Globus würden uns sehr gut stehen. Und den amerikanischen Schatten kleiner machen. Emmanuel Macron, unser neuer Freund in der linken Herzkammer Europas, arbeitet genau auf diese Ziele hin und dabei sollte wir ihn mit allen Mitteln und Kräften unterstützen. Ein von Frankreich geführtes Integrations-Projekt, das zugleich ein stärkeres europäisches Deutschland schafft würde unserem Kontinent einen entscheidenden Impuls geben, ausgehend von dem parallel schlagenden Herz der EU. 

Ob dies mit einer Kanzlerin Merkel und dem Schwarze-Null-Fetischisten Schäuble möglich ist, bezweifle ich sehr stark. Die Durchsetzungsmöglichkeiten sehe ich, zum Beispiel für einen gemeinsamen Finanzminister der Eurozone, bei einer Rot-Grünen Koalition am größten. Da rechnerisch daran (leider) im Moment nicht zu denken ist bräuchte es eine Ampel oder R2G (Rot-Rot-Grün).

Grafik ist per Klick vergößerbar!

Fazit: Unabhängig von möglichen Koalitionen, müssen die Grünen mit diesen Forderungen in den Wahlkampf ziehen. Denn Europa wird ein größeres Thema in den kommenden Monaten. Und dass ein Pro-Europa Wahlkampf zieht, hat uns „En Marche“ in Frankreich gezeigt.

Dear Americans, we have to talk!

Liebe US-Amerikaner,

ihr habt uns Deutschen letztendlich die Demokratie beigebracht. Jetzt ist es an der Zeit uns zu revanchieren. Euer Wahlsystem beschert uns zwar alle vier Jahre einen quantitativen Erguss an Sendematerial für die öffentlich Rechtlichen, sowie pseudoinformativen Nachrichtensendern in unserem Land, aber euer Wahlsystem ist allein schon wegen der zig Erklärvideos, die von mal zu mal wieder rausgeholt werden nervig und nicht mehr zeitgemäß!

Kernproblem, zumindest aus der Sicht der Europäer ist die nicht wirklich verständliche Relation der Wahlmänner zur Bevölkerungsgröße eines Bundesstaates. Mindestens drei pro Staat, einverstanden. Aber dann nicht an die anderen Bevölkerungsgrößen anpassen? Beispiel: Wyoming hat knapp 585.000 Einwohner und 3 Wahlmänner im Electoral College. Macht für jeden Wahlmann 195.000 Bürger. Kalifornien hat 38,8 Mio. Einwohner und 55 Wahlmänner. Nach Adam Riese macht das knapp 705.000 Bürger pro Wahlmann. Klingt nicht wirklich fair. Und das ist es auch nicht! Rechnet man mit dem Schlüssel von Wyoming in Kalifornien, gäbe es 144 Wahlmänner mehr im Golden State. 144 Wahlmänner mehr für Clinton! Und da kommen wir auch schon zum nächsten Problem.

Das Prinzip „The Winner takes it all“ ist primitiv. Warum nicht prozentual teilen? Klar wird es dadurch knapper, aber wenn man den Schlüssel vereinheitlicht ist es nur logisch auch diesen Schritt zu gehen. Denn nach aktuellem Stand hätte in diesem Fall Clinton gewonnen. Sie konnte landesweit knapp 220.000 Wähler mehr hinter sich vereinen, als Trump. Hat sie nur dadurch die Wahl verloren? Nein. Sie hat die Wahl verloren, weil ihr Wahlkampf ein Krampf war. Weil ihre Kampagne am Ende gegen die gefühlte Tatsache eingetauscht wurde, sie wäre das kleinere Übel und von daher sei sie schon Präsidentin. Weil sie nicht automatisch alle Frauen überzeugen konnte, nur weil sie eine Frau ist. Weil sie in diesem Wahlkampf genannten Daily Soap Grusel nicht die letzten Werte ihrer Erziehung und Überzeugungen hat fallen lassen wollen. Weil die Medien und Forschungsinstitute keinen Zugriff mehr auf eine Art weißen Belag haben, der das Wort „Lügenpresse“ made in Germany sogar nach Amerika exportiert hat.

Nicht, dass ich Clinton zum Himmel loben will, auch sie wäre nicht unbedingt besser in der zu vergebenden Position. Aber sie hätte die Agenda Obama weitergeführt. Obama wollte vor acht Jahren viel verändern. Rückblickend hat er wenig geschafft. Wie sollte er auch bei diesen Umständen mehr schaffen? Er hat den Schutt und die Versäumnisse der vergangen acht oder mehr Jahre verwalten und entfernen müssen. Er hatte keine sicheren Mehrheiten, er hatte fast nur Gegner. Er hatte überproportional viele Krisen während seiner Amtszeit zu bewältigen. Aber er hat seinen Traum nicht verloren. Er blieb skandalfrei, er brachte Glanz zurück ins weiße Haus. Er war ein Präsident für alle Amerikaner und das als erster schwarzer Präsident. Man hätte auch eine Politik nur für Minderheiten erwarten können. Aber Obama hat den Kern der Demokratie verstanden. Es geht nicht immer darum seine Meinung mit aller Macht um zu setzen, es geht um Kompromisse mit denen die Mehrheit leben kann. Es hilft nie an der Vergangenheit zu hängen, aber vermissen werde ich ihn schon. Es bleibt zu hoffen, dass Michelle Obama 2020 den Wiedereinzug der Obamas sicher macht.

Zurück zum Ist-Zustand und ein kurzer Blick in die Zukunft. Die US-Amerikaner werden auch in den nächsten vier Jahren nicht verstehen, dass es nicht sicherer wird, wenn jeder eine Waffe besitzt. Vor allem nicht in einer Legislatur, in der die Republikaner alle Mehrheiten besitzen und Trump Präsident ist. Die US-Amerikaner werden auch in den nächsten vier Jahren Amokläufe und Schießereien erleben. Wieder rassistische Gewalt von Polizisten aushalten müssen. Es wird wieder Proteste geben. Wahrscheinlich auch wieder kleinere Revolten. Die Amerikaner werden den Klimawandel endgültig für beendet erklären. Sie werden wieder vermehrt auf Kohle und Öl setzen. Denn America First bedeutet genau das. Trump wird den Wählern aus dem Industriegürtel sehr viel zugestehen. Nur am Rand: Zum größten Teil sind das weiße, bildungsschwächere Männer. Sie werden dem Welthandel und damit der gesamten Globalisierung den Rücken kehren. Ob dies gelingen kann? Man weiß es nicht. Genau wie beim Brexit hat noch niemand zuvor, zumindest nicht Volkswirtschaften dieser Größe einen solchen Schritt nur in Erwägung gezogen.

Doch ist auch ein Präsident Trump nicht der sofortige Weltuntergang. Wahrscheinlich werden kompetente Mitarbeiter die Zeit Trumps ziemlich erfolgreich gestalten. Man wird ihn wieder wählen, vorausgesetzt ihm ist dann nicht auch dieser Job zu langweilig geworden. Dennoch ist es traurig, dass ein Mann, der so viele Menschen beleidigt hat, der Frauen offen wieder zu „Freiwild“ erklärt hat, der Steuern illegal (aber smart) „gespart“ hat, der so verdammt viele Skandale hatte, den mächtigsten Posten unserer Welt besetzen kann. Wo und wann haben wir als Wertegemeinschaft, und allein darauf fundiert unsere transatlantische Zusammenarbeit und Freundschaft, die Werte verloren, die bei jedem Normalbürger zur guten Erziehung gehören? Und viel wichtiger werden diese Grundsätze irgendwann wieder selbstverständlich sein? Wie soll man sonst unseren Kindern in der Erziehung klar machen, dass Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit, der angemessene Ton und so viele andere Dinge richtig und wichtig sind.

Zum Ende noch ein paar Gedanken, die einem heute positive Stimmung, vielleicht sogar Hoffnung geben können:

Wir können nur positiv von Donald überrascht werden… Vielleicht merken die „Amis“ nach diesen vier Jahren, dass Demagogen und Populisten keine geeigneten Politiker sind… Wir könnten alle europäischen „Patrioten“ nach Amerika exportieren und nehmen im Gegenzug alle enttäuschten und zurecht ängstlichen Demokraten auf…

Es ist einfach jemand anderen an den Pranger zu stellen. Auch wir Europäer haben ähnliche Probleme. Es ist der Egoismus, den die Mitgliedsstaaten der EU in den letzten Dekaden als Gemeinschaft nach außen verkauft haben, der ein Grab für diese ehrwürdige Institution gräbt. Brexit und wachsende europafeindliche politische Ränder sind die deutlichsten Effekte dieser Misstände. Der Trugschluss, weniger Kompetenzen, weniger Europa würden die EU stärken, muss der Vergangenheit angehören. In einer Phase, in der sich die Amerikaner aus der Weltpolitik zurückziehen, steckt eine große Chance für unseren Kontinent. Die Chance als EU, vielleicht sogar als USE (United Staates of Europe) die Geschicke der Globalisierung zu lenken und dadurch Vorteile zu nutzen. Es ist Zeit für Europa, in Europa aufzustehen und es wieder „great“ zu gestalten! Freunde das würde „huge“ werden!